Hart am Rande der Saaleaue, eine kleine Wegstunde östlich der rauchenden Leunaschlote,
liegt das kleine Dörfchen Wüsteneutzsch. Man erreicht es, wenn man sich bei Kreypau
über die Saale setzten lässt und durch Kreypau in östlicher Richtung weiterwandert.
Die aufragenden Schleusenmauern vor Wüsteneutzsch weisen einen anderen Weg.

  

Das alte Eutzschlitz oder Eutzsch war durch Kriegswirren im ausgehenden Mittelalter wüst geworden. So entstand der Name das wüste Eutzsch- heute kurz Wüsteneutzsch.
Diese alte Slawensiedlung mag früher größer gewesen sein. Im Dreißigjährigen Kriege (1618- 1648) wurde sie noch einmal gänzlich zerstört und lag lange Jahrzehnte in Trümmer. Es stand unter Gerichtsbarkeit des Merseburger Domkapitels- wie aus Alten Akten hervorgeht.

Verstreute Nachrichten über abgehaltene Gerichtssitzungen geben uns Kunde von den Sitten und Unsitten der Bewohner. Bei solchen Gerichtsverhandlungen kamen allerlei Untugenden der Bauern zutage. Es war keine Seltenheit, dass man sich geschlagen, gerauft, bei den Haaren gerissen und beschimpft hat. Dann wurde eine
Geldstrafe verhängt und die Streitenden versöhnten sich mit der gegenseitigen Versicherung, dass sie voneinander „nichts als Liebes und Gutes wüssten“.

Einstmals hatte Wüsteneutzsch eine eigene Kapelle und eine eigene Schule. Der Standort der Kapelle ist heute unbekannt. Die Schule wurde vor 80 Jahren eingestellt. Das Schulhaus dient heute noch als Spritzenhaus.

dorfgemeinchaftshaus_1940

Im nahen Kreypau, dem jetzigen Wüsteneutzscher Kirch- und Schuldorf, beklagte sich am 16.10.1620 der Pfarrer Martin Schammelius darüber, dass er jetzt bei Begräbnissen einen besonderen Gang nach Wüsteneutzsch machen müsse, während man früher die Leichen in Kreypau begraben hätte. Wüsteneutzsch hatte nämlich einen eigenen Friedhof oben auf der Höhe angelegt, der jetzt noch dort ist. Aus den Pastors Ersuchen um
eine Zulage, erklärte sich die Gemeinde sofort bereit, ihm das Doppelte geben zu wollen. Das waren bisher 5 Groschen und einen Hahn für eine Mannsperson, 5 Groschen und eine Henne für eine Weibsperson, also im gleichen von ihren Kindern. Mit dieser Erhöhung ist aber der Herr Magister nicht zufrieden, er will vielmehr das Konsistorium um Entscheidung anrufen.

Bei der ersten amtlichen Volkszählung im Jahre 1828 zählt Wüsteneutzsch 85 Seelen.

Es hat auch in der Folgezeit kaum mehr gehabt, weil es auf Grund seiner Lage rein landwirtschaftliches Dorf blieb.

Erst durch Umsiedler hat sich die Einwohnerzahl erhöht.

Viele Umsiedler sind heute wegen der ungünstigen Lage wieder abgewandert. Das zeigt sich deutlich an der Schulkinderzahl, die in den ersten Nachkriegsjahren über 30, z. Z. aber nur noch 6 beträgt.

Bekannt wurde Wüsteneutzsch durch den Kanalbau. Am Rande des Dorfes schneiden sich 2 Kanäle, von denen der eine einmal eine große Bedeutung gehabt hat, der andere sich aber erst in der Zukunft bekommen soll: der Floßgraben und der Elster- Saale- Kanal. Nicht so, das der eine den anderen ablösen wird. Der Floßgraben, der unserer Gegend in früheren Jahrhunderten das begehrte Holz aus dem Holzlande brachte, ehe man die Kohlelager entdeckt hatte, ist schon lange zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken. Sein gewundener Lauf mit den alten Kopfweiden am Berge entlang unterscheidet sich nicht mehr von den natürlichen Auebächen. Er wird in einem so genannten Düker vor der ersten Schleusenstufe unter dem Bett des Kanals hindurchgeführt. Gleich dahinter
gähnen die großen Schleusenmauern des Kanals, und auf dem Berge stehen die schmucken Häuser für die Schleusenbedienung.

Doch harrt der Kanal in seinen letzten Bauabschnitt bis zu seiner Einführung in die Saale bei Kreypau noch seiner Vollendung. Der unsinnige Krieg hat dieses gewaltige Vorhaben unterbrochen. Wenn der Kanal einmal fertig gestellt sein wird,

denn unterhalb dieser Schleuse soll noch eine zweite 11m hohe Schleuse gebaut werden, um den Höhenunterschied „Aue“ – „Berg“ von 22m zu überwinden-, wenn die 1000- Tonnen- Schiffe in der Schleusentreppe gehoben oder
gesenkt werden, dann wird das kleine Dörfchen Wüsteneutzsch neu aufleben.

Karl Heineking (unser Merseburger Land- 1957)